"Cap Anamur"-Gründer Rupert Neudeck ist tot
Seine Hilfsorganisation "Cap Anamur" rettete tausende Bootsflüchtlinge aus Vietnam. Nun ist Rupert Neudeck nach einer Herzoperation im Alter von 77 Jahren gestorben.
Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation "Cap Anamur"Foto: KNA
Rupert Neudeck, Journalist und Mitbegründer der Hilfsorganisationen "Cap Anamur" und "Grünhelme", ist tot. Er starb nach Angaben aus dem Freundeskreis am Dienstagmorgen im Alter von 77 Jahren nach einer Herzoperation.
Der gebürtige Danziger Neudeck hatte 1979 mit Unterstützung des Schriftstellers Heinrich Böll das Komitee "Ein Schiff für Vietnam" gegründet, das bis 1982 mehr als 11.000 „Boat People“ im Chinesischen Meer rettete. Daraus ging 1982 das Komitee "Cap Anamur/Deutsche Notärzte" hervor. Im Jahr 2002 gründete der Vater von drei Kindern die Organisation "Grünhelme", in der sich junge Handwerker verpflichten, für drei oder mehr Monate beim Aufbau von Häusern, Dörfern oder zerstörten Wasserleitungen in Krisengebieten zu helfen.
In einem Interview mit dem Tagesspiegel hatte Neudeck noch angesichts der Flüchtlingskrise gesagt, die Zeit sei reif für eine neue "Cap Anamur" für das Mittelmeer.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Neudeck als kompromisslosen Kämpfer für Menschen in Not. Das Schicksal von Hilfsbedürftigen in Krisengebieten sei ihm immer ein Herzensanliegen gewesen, betonte Gauck in einem Kondolenzschreiben. "Er hat gesehen und gehandelt - und das ein Leben lang." Neudecks Arbeit sei ein "Beispiel dafür, wie viel Gutes ein Einzelner anstoßen und bewirken kann", schrieb Gauck. "Er wird uns immer ein Vorbild bleiben."
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) würdigte Neudecks Verdienste und seinen Einsatz für die Rettung von Menschenleben.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, mit dem Neudeck die Organisation „Grünhelme“ gegründet hatte, zeigte sich bestürzt.
Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter lobte seinen Einsatz für Flüchtlinge: "Mit Rupert Neudeck verlieren wir einen der wichtigsten Vorkämpfer für die Rechte von geflüchteten Menschen in Deutschland und der ganzen Welt." Die Gesellschaft für bedrohte Völker beklagte den Verlust Neudecks als wichtiger Ratgeber und Beiratsmitglied. "Wir werden seinen Rat und sein mitreißendes Engagement für Notleidende sehr vermissen", teilte die Organisation mit.
Selbst ein Flüchtling
Neudeck entging als Kind auf der Flucht aus Ostpreußen nur knapp dem Untergang des Flüchtlingsschiffs "Wilhelm Gustloff", das von sowjetischen Torpedos versenkt wurde. Später studierte er Theologie, wurde kurzzeitig Novize bei den Jesuiten und promovierte über "Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus". Dann arbeitete er als Journalist, zunächst bei der katholischen "Funk-Korrespondenz" in Köln, anschließend als freier Journalist und Redakteur beim Deutschlandfunk.
Neudeck erhielt - teilweise zusammen mit seiner Frau Christel - zahlreiche Auszeichnungen, so die Theodor-Heuss-Medaille, den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis, den Erich-Kästner-Preis und den Walter-Dirks-Preis. Mit Blick auf seine Kirche sagt der Katholik, er wünsche sich weniger Sorge um Kirchbauten, "weniger Weihrauch und Selbstbeschäftigung, dafür mehr Telefonseelsorge und konkrete Hilfe für Menschen in Not. Das ist für mich die Kirche von morgen". Papst Franziskus und dessen Besuch bei den Flüchtlingen auf Lampedusa nannte er einen Glücksfall.
Das Schiff der deutschen Hilfsorganisation "Cap Anamur" (Archivfoto von 2004)Foto: dpa/Franco Lannino
Als "Extremist in Sachen Nächstenliebe" wurde er mitunter charakterisiert. "Radikal leben" hieß sein letztes Buch, in dem Rupert Neudeck eine Bilanz seines Lebens als Journalist und humanitärer Helfer zog. Widerstand, radikales Umdenken und mutiges Eingreifen seien lebensnotwendig - für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen, schrieb er.
Zuletzt ist Neudeck auch als Kritiker der Entwicklungspolitik in Erscheinung getreten. Gerade in Afrika seien viele Länder von Entwicklungshilfe abhängig geworden, betont er. Entwicklungszusammenarbeit solle so weit wie möglich zu den Nichtregierungsorganisationen verlagert werden. (mit KNA)