Rund 1.000 Vietnamesen treffen sich zum Katholikentag am Schulzentrum in Haßfurt
Wer an diesem Wochenende die Dreifachturnhalle des Haßfurter Schulzentrums betrat, dem bot sich ein ungewohntes Bild: Gegenüber der Tribüne ist ein großer Altar aufgebaut, darüber hängt ein großes Bild des 2005 verstorbenen und 2014 heilig gesprochenen Papstes Johannes Paul II. Neben dem Altar stehen Flaggen. Der Geruch von Weihrauch liegt in der Luft. In der ganzen Halle sind Stuhlreihen aufgestellt, dort sitzen viele Vietnamesen, ein Geistlicher hält einen Gottesdienst in vietnamesischer Sprache. Die Halle ist nicht klimatisiert und so herrscht eine drückende Hitze. Einige Gottesdienstbesucher haben typisch asiatische Fächer dabei, andere wedeln mit Papierheften, um sich etwas abzukühlen.
Es war ein großes Spektakel, das sich am Wochenende am Haßfurter Schulzentrum abspielte. Einmal im Jahr treffen sich in Deutschland lebende Katholiken aus Vietnam zu einem Katholikentag. Nach mehreren wechselnden Veranstaltungsorten fand er in den letzten Jahren meistens in Aschaffenburg statt. In diesem Jahr kam die Veranstaltung wieder nach Haßfurt, wo sie bereits 1995 einmal stattgefunden hatte. Den älteren Besuchern geht es darum, ihren Glauben zu vertiefen und an jüngere Menschen weiterzugeben, ihre Muttersprache zu sprechen und sich mit Anderen auszutauschen. Für junge Menschen gibt es die Gelegenheit, die Kultur ihrer Familien kennenzulernen, auch wenn sie fern von ihrem alten Heimatland leben.
„Jetzt dürften es schon fast 1000 Leute sein“, schätzte Lam Cong Khanh, einer der Organisatoren des diesjährigen Treffens, am Sonntagnachmittag. Viele von ihnen schliefen in den Klassenzimmern des Schulhauses, in denen Liegen und Matratzen aufgestellt waren. Tagsüber gab es Gottesdienste und Vorträge sowie die Gelegenheit zum Beichten. Am Sonntagabend luden die Veranstalter dann zu einem Kulturabend ein, an dem es Musik und Tanz zu sehen gab, außerdem konnten auch deutsche Gäste die vietnamesischen Trachten kennen lernen. Viele Frauen trugen ein „Áo dai“, ein langes Seidenkleid, das als vietnamesische Nationaltracht gilt.
Doch nicht nur in der Turnhalle tummelten sich die Menschen. Im Pausenhof außerhalb des Schulgebäudes gab es Tische und Bänke sowie Stände, an denen man Essen und Getränke bekam – Richtiges, traditionelles Essen, wie man es in Vietnam bekommen würde. Denn das, was in asiatischen Restaurants auf den Tisch kommt, ist oft europäisiert, also für den westlichen Geschmack angepasst, wie einer der Veranstalter erklärte. Ein besonderes Gericht für viele Vietnamesen ist „Pho“, eine Suppe mit Rindfleisch, Reisnudeln und vielen Kräutern. „Das darf bei keinem unserer Feste fehlen“, heißt es von einigen Vietnamesen.
„Vietnam und Essen, das gehört einfach zusammen“, sagt Thanh-Tien Trinh. Die 31-Jährige wohnt in Regensburg und gehört zur „Zweiten Generation“, also zu den Vietnamesen, die in Deutschland aufgewachsen sind. „Ich bin gut integriert“, sagt sie und fügt dann lachend hinzu: „Oder sollte es zumindest sein.“ Sie berichtet, dass sie von klein auf an den jährlichen Treffen teilgenommen hat. „Am Anfang hab ich sehr wenig Vietnamesisch verstanden, mit der Zeit wurde es aber immer besser“, erzählt sie. Sie verbindet die Treffen mit Heimatgefühlen, obwohl sie diese Heimat selbst nicht mehr kennengelernt hat. „Man trifft eine große Familie“, sagt sie. Besonders da sie selbst ehemalige Jugendleiterin ist, freut sie sich, dass in diesem Jahr viele Jugendliche dabei sind: „Sie machen das alles viel bunter.“
Thanh-Tien Trinh ist Christin und spricht auch davon, dass auf den jährlichen Treffen der Glaube gelebt und neu entfacht werde. Begleitet wird sie von ihrer Schwester und einer Freundin ihrer Mutter. Diese lebt in München und ist keine Christin, sondern Buddhistin, sie ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Auch sie gehört zu denjenigen, die aus Vietnam geflohen sind, um dem kommunistischen Regime zu entkommen. Für ihre Freiheit hat sie einen hohen Status aufgegeben. Die Drei haben nicht, wie viele andere, in der Schule übernachtet, sondern in einem Hotel in der Haßfurter Innenstadt. Beim Frühstück erzählen sie, dass ihnen Haßfurt gefällt. Besonders sei ihnen die Ruhe im Vergleich zu München und Regensburg aufgefallen, sowie die Freundlichkeit der Menschen. Thanh-Tien Trinh freut sich auch über die Toleranz der Menschen gegenüber den Asiaten. „Das ist in Regensburg nicht immer so“, sagt sie, „Aber auch dort ist es in den letzten Jahren besser geworden“. Kurz zuvor war sie auch auf dem Katholikentag in Regensburg und vergleicht diesen mit dem Katholikentag der Vietnamesen. „Hier ist es viel bunter“, lautet ihr Fazit.
Zum Abschluss des Katholikentages gab es am Montagvormittag eine Prozession durch das Wohngebiet unterhalb des Schulzentrums. Dafür war der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck angereist. „Ich habe viele Vietnamesen in meiner Diözese, deshalb bin ich schon öfter gefragt worden, ob ich das nicht mal machen könnte“, berichtete Overbeck, „In den letzten Jahren hatte ich leider nicht die Zeit dazu“.
Auch mit dabei war Pater Vinzenz Tran Van Bang, der für vietnamesische Katholiken zuständige Seelsorger der Bistümer Würzburg, Bamberg und Eichstätt. Er war es, der das jährliche Treffen nach Haßfurt brachte, da die Aschaffenburger Halle, in der der Katholikentag sonst stattfindet, derzeit renoviert wird. Ein weiterer Geistlicher, der die ganze Zeit dabei war, war Jesuitenpater Stefan Täubner. Zwischen den Asiaten fiel der Deutsche nicht nur durch seine europäischen Gesichtszüge, sondern auch durch seine Körpergröße auf. „Meine Geschichte mit Vietnam geht zurück bis zu den Flüchtlingslagern in Malaysia“, erzählte er. Mittlerweile ist Täubner Seelsorger für Vietnamesen im Erzbistum Berlin und beherrscht auch die vietnamesische Sprache. Er erklärte auch, warum gerade Johannes Paul II. auf dem Bild über dem Altar zu sehen ist: „Das Motto des Katholikentages ist: ,Habt keine Angst! Öffnet die Türen für Christus'. Das waren seine ersten Worte als Papst und damit hat er dann auch einige Türen geöffnet.“ Gerade durch seinen Einsatz für Freiheit und gegen Unterdrückung sei Johannes Paul ein Vorbild für viele geflohene Vietnamesen.
Immer wieder betonten die Verantwortlichen, dass sie der Stadt Haßfurt sowie dem Landratsamt des Hassbergkreises sehr dankbar sind. „Ohne die große Unterstützung von deutscher Seite hätten wir das alles nie geschafft“, freut sich Lam Cong Khanh.
Kulturabend: Einige Vietnamesen tragen ihre Flagge als Schal. Nicht die offizielle Staatsflagge der kommunistischen Regierung, sondern die alte Flagge von Südvietnam.
Foto: HT-Schmieder
„So große Vietnamesen gibt es sonst nicht“, sagte Lam Cong Khanh scherzhaft über den hochgewachsenen Jesuitenpater Stefan Täubner. Bei der Prozession am Montag ragen Täubner und Bischof Overbeck auffällig aus der Menge heraus.
Foto: HT-Schmieder
Vor dem Schulzentrum beginnt am Montagmorgen die Prozession. Unter den Fahnen, die voraus getragen werden, ist neben der deutschen auch die südvietnamesische Flagge: Drei rote Streifen auf gelbem Grund.
Foto: HT-Schmieder
Montagmorgen vor der Prozession: Bischof Overbeck im Gespräch mit dem ehemaligen Bürgermeister Rudi Eck, dessen Frau und einem vietnamesischen Priester.
Foto: HT-Schmieder
Für westliche Augen ein eher ungewohntes Bild: Vier vietnamesische Christen tragen bei der Prozession eine Madonna auf einer Vorrichtung, die mit asiatischen Drachen verziert ist.
Foto: HT-Schmieder
Von unserem Redaktionsmitglied Peter Schmieder